Buchbesprechung von Bettina Schmitt in Frauenarbeit und Informatik 12/1995

Gabriele Winker: Büro Computer Geschlechterhierarchie. Frauenförderliche Arbeitsgestaltung im Schreibbereich. Opladen: Leske+Budrich 1995, 298 Seiten, DM 39,00

Gabriele Winker beschreibt und analysiert den Prozeß der Einführung von Informationstechnologie und der damit einhergehenden arbeitsorganisatorischen Veränderungen am Beispiel der Schreibbereiche in der bremischen öffentlichen Verwaltung, in welcher sie selbst für fünf Jahre als Technologieberaterin tätig war. Daran anknüpfend entwickelt sie Ansätze einer feministischen Arbeits- und Technikgestaltung, "die es Frauen ermöglichen sollen, Einfluß auf die Gestaltung der neuen technikunterstützten Arbeitssysteme zu nehmen und damit die eigenen Ar-beits- und Lebensbedingungen mitzubestimmen" (S.7).

In der bremischen Verwaltung sollte der verstärkte Einsatz der Informationstechnologie seit Ende der 80er Jahre durch verschiedene Dienst-vereinbarungen geregelt und abgesichert werden. Erklärtes Ziel war die Verbesserung sowohl der Effizienz und Qualität der von der Verwaltung zu erbringenden Dienstleistungen als auch der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. In den Schreibbereichen sollte im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Technologien das Konzept der qualifizierten Mischarbeit realisiert und sollten darüber die Beschäftigten in die Sachbearbeitung integriert werden.

Diese Ziele konnten jedoch nur für einen kleinen Teil der Beschäftigten realisiert werden. In der Alltagsrealität wurden die formulierten Ansprüche häufig nicht eingelöst. Winker konstatiert eine Diskrepanz zwischen ungewöhnlich weitgehenden fortschrittlichen Organisationskonzepten auch auf der Arbeitgeberseite und dem Wirken der beharrenden Kräfte. Statt menschengerechter Arbeitsgestaltung wird eine tayloristische Organisationsstruktur einschließlich der Beibehaltung von Schreibarbeitsplätzen aufrechterhalten. Nur an etwa 20% der Arbeitsplätze ist die Einführung von Mischarbeit gelungen. Den Gründen für diese Beharrung spürt Winker in ihrer Arbeit nach, um daran anschließend Vorschläge für Alternativen, insbesondere im Sinne von Handlungsmöglichkeiten für die betroffenen Frauen zu entwickeln. Dabei bezieht sie konsequent die jeweilige subjektive Perspektive der AkteurInnen ein. Auf diese Weise wird das Beharrungsvermögen tradierter Muster von Arbeitsorganisation deutlich, bei dem es eben - jenseits formaler Strukturen und Vorgaben - immer auch um die Verteidigung von Besitzständen männlicher Kollegen und Vorgesetzter geht. Z.B. kann Winker anhand ihres reichhaltigen Interviewmaterials zeigen, wie die Monopolisierung technischen Expertenwissens zur Begründung männlicher Überlegenheit genutzt wird.

Auf der anderen Seite setzt Winker mit ihren Vorschläge zur Technik- und Arbeitsgestaltung ebenfalls auf der subjektiven, individuellen Ebene der beschäftigten Frauen an. Hier geht es ihr weder darum, ein neues, starres Modell von Arbeitsorganisation zu entwerfen, noch die "weibliche Technik" zu entwickeln. Vielmehr soll den differenzierten Wünschen und Ansprüchen der Frauen an Technik und Arbeit ebenso Rechnung getragen werden wie ihrer je unterschiedlichen konkreten Arbeits- und Lebenssituation. Ziel ist es, die Frauen zu befähigen, selbst gestaltend auf Arbeit und Technik einzuwirken und damit der Beharrungskraft männlich tradierter Muster entgegenzutreten.

Winker entwickelt drei Ansätze einer "feministischen Arbeits- und Technikgestaltung im Büro": Eine aktivierende Arbeits- und Technikgestaltung hebt zunächst darauf ab, durch verschiedene Veranstaltungsangebote wie Gesprächskreise oder Workshops Frauen zur kollektiven Beteiligung und Einmischung in Prozesse der Technikeinführung und Arbeits(re)organisation zu ermutigen und zu befähigen. Dies setzt eine Reflexion über die bisherige Arbeit und berufliche Zukunftswünsche voraus. Eine personennahe Arbeitsgestaltung soll die jeweilige persönliche Le-benssituation der einzelnen Frauen einbeziehen. Sie muß Raum lassen für ein hohes Maß an Flexibilität etwa bzgl. verschiedener Strategien zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Dauer und Lage der Arbeitszeit, Zuschnitt von Arbeitsplätzen oder Qualifizierungs- und Aufstiegswünschen der Frauen. Explorative und aufgabenangemessene Technikgestaltung schließlich zielt darauf ab, interessierte Benutzerinnen durch spezielle Frauen-DV-Kurse oder Workshops zu einem souveränen, selbstbestimmten, wenngleich nicht unkritischen Umgang mit dem Computer zu befähigen. Frauen sollen Raum und Zeit erhalten, explorativ mit der Technik umzugehen und auch zu lernen, die von ihnen benutzte Software durch kleinere Veränderungen an ihre konkrete Arbeitssituation anzupassen. Dies setzt allerdings eine entsprechende Software voraus, die flexible Lösungen und Modifikationen zuläßt und die fehlertolerant ist - nicht, weil Frauen besonders viele Fehler machen, sondern weil sie sich aufgrund des gängigen Stereotyps von der mangelnden technischen Begabung der Frauen und des Mangels an positiver Vorerfahrungen durch eingangs auftretende Fehler schneller entmutigen lassen. Eine solche kritische Technikaneignung und wachsende Technikkompetenz der Frauen könnte - so Winker - schließlich dazu beitragen, überkommene Geschlechterstereotype und Muster von Arbeitsteilung aufzuweichen. Daran knüpft sich die Hoffnung, dass Frauen auch verstärkt in DV-Koordinations- und Leitungspositionen aufrücken können.