Gabriele Winker beschreibt und analysiert den Prozeß der Einführung
von Informationstechnologie und der damit einhergehenden arbeitsorganisatorischen
Veränderungen am Beispiel der Schreibbereiche in der bremischen öffentlichen
Verwaltung, in welcher sie selbst für fünf Jahre als Technologieberaterin
tätig war. Daran anknüpfend entwickelt sie Ansätze einer feministischen
Arbeits- und Technikgestaltung, "die es Frauen ermöglichen sollen,
Einfluß auf die Gestaltung der neuen technikunterstützten Arbeitssysteme
zu nehmen und damit die eigenen Ar-beits- und Lebensbedingungen mitzubestimmen"
(S.7).
In der bremischen Verwaltung sollte der verstärkte Einsatz der Informationstechnologie
seit Ende der 80er Jahre durch verschiedene Dienst-vereinbarungen geregelt und
abgesichert werden. Erklärtes Ziel war die Verbesserung sowohl der Effizienz
und Qualität der von der Verwaltung zu erbringenden Dienstleistungen als
auch der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. In den Schreibbereichen
sollte im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Technologien das Konzept
der qualifizierten Mischarbeit realisiert und sollten darüber die Beschäftigten
in die Sachbearbeitung integriert werden.
Diese Ziele konnten jedoch nur für einen kleinen Teil der Beschäftigten
realisiert werden. In der Alltagsrealität wurden die formulierten Ansprüche
häufig nicht eingelöst. Winker konstatiert eine Diskrepanz zwischen
ungewöhnlich weitgehenden fortschrittlichen Organisationskonzepten auch
auf der Arbeitgeberseite und dem Wirken der beharrenden Kräfte. Statt menschengerechter
Arbeitsgestaltung wird eine tayloristische Organisationsstruktur einschließlich
der Beibehaltung von Schreibarbeitsplätzen aufrechterhalten. Nur an etwa
20% der Arbeitsplätze ist die Einführung von Mischarbeit gelungen.
Den Gründen für diese Beharrung spürt Winker in ihrer Arbeit
nach, um daran anschließend Vorschläge für Alternativen, insbesondere
im Sinne von Handlungsmöglichkeiten für die betroffenen Frauen zu
entwickeln. Dabei bezieht sie konsequent die jeweilige subjektive Perspektive
der AkteurInnen ein. Auf diese Weise wird das Beharrungsvermögen tradierter
Muster von Arbeitsorganisation deutlich, bei dem es eben - jenseits formaler
Strukturen und Vorgaben - immer auch um die Verteidigung von Besitzständen
männlicher Kollegen und Vorgesetzter geht. Z.B. kann Winker anhand ihres
reichhaltigen Interviewmaterials zeigen, wie die Monopolisierung technischen
Expertenwissens zur Begründung männlicher Überlegenheit genutzt
wird.
Auf der anderen Seite setzt Winker mit ihren Vorschläge zur Technik- und
Arbeitsgestaltung ebenfalls auf der subjektiven, individuellen Ebene der beschäftigten
Frauen an. Hier geht es ihr weder darum, ein neues, starres Modell von Arbeitsorganisation
zu entwerfen, noch die "weibliche Technik" zu entwickeln. Vielmehr
soll den differenzierten Wünschen und Ansprüchen der Frauen an Technik
und Arbeit ebenso Rechnung getragen werden wie ihrer je unterschiedlichen konkreten
Arbeits- und Lebenssituation. Ziel ist es, die Frauen zu befähigen, selbst
gestaltend auf Arbeit und Technik einzuwirken und damit der Beharrungskraft
männlich tradierter Muster entgegenzutreten.
Winker entwickelt drei Ansätze einer "feministischen Arbeits- und
Technikgestaltung im Büro": Eine aktivierende Arbeits- und Technikgestaltung
hebt zunächst darauf ab, durch verschiedene Veranstaltungsangebote wie
Gesprächskreise oder Workshops Frauen zur kollektiven Beteiligung und Einmischung
in Prozesse der Technikeinführung und Arbeits(re)organisation zu ermutigen
und zu befähigen. Dies setzt eine Reflexion über die bisherige Arbeit
und berufliche Zukunftswünsche voraus. Eine personennahe Arbeitsgestaltung
soll die jeweilige persönliche Le-benssituation der einzelnen Frauen einbeziehen.
Sie muß Raum lassen für ein hohes Maß an Flexibilität
etwa bzgl. verschiedener Strategien zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
Dauer und Lage der Arbeitszeit, Zuschnitt von Arbeitsplätzen oder Qualifizierungs-
und Aufstiegswünschen der Frauen. Explorative und aufgabenangemessene Technikgestaltung
schließlich zielt darauf ab, interessierte Benutzerinnen durch spezielle
Frauen-DV-Kurse oder Workshops zu einem souveränen, selbstbestimmten, wenngleich
nicht unkritischen Umgang mit dem Computer zu befähigen. Frauen sollen
Raum und Zeit erhalten, explorativ mit der Technik umzugehen und auch zu lernen,
die von ihnen benutzte Software durch kleinere Veränderungen an ihre konkrete
Arbeitssituation anzupassen. Dies setzt allerdings eine entsprechende Software
voraus, die flexible Lösungen und Modifikationen zuläßt und
die fehlertolerant ist - nicht, weil Frauen besonders viele Fehler machen, sondern
weil sie sich aufgrund des gängigen Stereotyps von der mangelnden technischen
Begabung der Frauen und des Mangels an positiver Vorerfahrungen durch eingangs
auftretende Fehler schneller entmutigen lassen. Eine solche kritische Technikaneignung
und wachsende Technikkompetenz der Frauen könnte - so Winker - schließlich
dazu beitragen, überkommene Geschlechterstereotype und Muster von Arbeitsteilung
aufzuweichen. Daran knüpft sich die Hoffnung, dass Frauen auch verstärkt
in DV-Koordinations- und Leitungspositionen aufrücken können.